Veranstaltung: | Landesparteirat Erfurt 11.08.2017 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Gebiets-, Funktional. und Verwaltungsreform |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 11.08.2017) |
Status: | Modifiziert übernommen |
Beschlossen am: | 11.08.2017 |
Eingereicht: | 14.08.2017, 08:50 |
Themenbereich: | Gebiets-Funktional-Verwaltungsreform |
Antragshistorie: | Version 1 |
GFVR 01-neu2: Thüringen zusammen zukunftssicher machen
Antragstext
Thüringen zusammen zukunftssicher machen
Die Gebietsreform braucht Transparenz, klare Kriterien und eine ernstgemeinte
Bürger*innenbeteiligung
Eine zusammengedachte Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform ist für
Thüringen notwendig, damit Land und Kommunen den Bürger*innen auch in Zukunft
eine verlässliche, starke und bürger*innennahe Verwaltung bieten können. Anders
als die CDU-geführten Vorgängerregierungen haben wir GRÜNEN zusammen mit unseren
Koalitionspartnern DIE LINKE und SPD den Mut und den Willen, dieses Projekt
anzugehen.
Gelingen kann so ein Großprojekt nur, wenn die Bürger*innen von Beginn an
eingebunden sind und mit ihnen konstruktiv und sachlich die Erfordernisse und
Vorzüge von Reformen kommuniziert werden. Politische Pläne und Entscheidungen
müssen nicht nur erklärbar sein, sondern im Einzelnen auch gut begründet werden
können. Die Bürger*innen haben hierauf einen Anspruch. Deshalb hat für uns GRÜNE
eine echte Bürger*innenbeteiligung eine herausgehobene Bedeutung im Prozess
derartig elementarer Reformen.
Wir BÜNDNISGRÜNE haben auch die Kraft, Versäumnisse in der Kommunikation und den
Prozessen einzuräumen und in Abstimmung mit unseren Koalitionspartnern die vom
Verfassungsgericht aufgegebenen Hinweise in den Prozess mit aufzunehmen. Mit
einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren auch bei der Festlegung der
Kreiszuschnitte und Kreissitze wollen wir dafür Sorge, dass das Wohl der
Bürger*innen im Mittelpunkt der Reformen für einen zukunftsfähigen Freistaat
Thüringen steht!
Der Landesparteirat fordert den Landesvorstand und die BÜNDNISGRÜNE
Landtagsfraktion auf, in ihren Gesprächen und Verhandlungen mit den
Koalitionspartnern zum Fortgang der Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform
die nachfolgenden Positionen mit dem Ziel der gemeinsamen Umsetzung
einzubringen:
1.Wir BÜNDNISGRÜNE fordern, dass die notwendigen Reformen (Funktional-,
Verwaltungs- und Gebietsreform) weiter vorangetrieben und sinnvoll verzahnt
werden, um so zukunftssichere Verwaltungseinheiten zu schaffen. Insbesondere bei
der Gemeindegebietsreform wurden bereits Erfolge und Fortschritte im Rahmen der
Freiwilligkeitsphase des Vorschaltgesetzes erzielt.
Für ein zukunftssicheres Thüringen ist das Ineinandergreifen von Funktional-,
Verwaltungs-, Kreisgebietsreform sowie der Reform der Gemeindestrukturen der
wesentliche Erfolgsfaktor.
Die notwendige Funktional- und Verwaltungsreform braucht eine fundierte
Aufgabenkritik und gegebenenfalls eine Neudefinition der Zuständigkeiten. Diesen
Prozess sollte die Landesregierung gemeinsam mit den Kommunen, Landkreisen und
kommunalen Spitzenverbänden zeitnah und auf Grundlage eines strukturierten
Verfahrens durchführen. Die herausgearbeiteten Aufgabenänderungen müssen in der
Zukunft ein Höchstmaß an qualifizierter Verwaltung und gestärkter kommunaler
Selbstverwaltung leisten. Insbesondere die Rolle der Landkreise muss im
Verwaltungsgefüge Thüringens definiert werden. Landkreise sollten sich verstärkt
als Dienstleister für die Bürger*innen verstehen.
Hinderungsgründe für bereits eingeleitete und geplante Zusammenschlüsse von
Gemeinden sind schnellstmöglich und zusammen mit den Akteur*innen vor Ort
auszuräumen. Das bei diesem Umbau der Gemeinden und Gebietskörperschaften,
inklusive deren Verwaltungen, die Infrastruktur zügig und konsequent bürgernah
auszubauen ist, ist für uns BÜNDNISGRÜNE selbstverständlich. Zur Infrastruktur
gehören insbesondere Bürgerbüros, auch rollende Servicestellen und vor allem der
Ausbau eines E-Governments. In der Folge von Zusammenschlüssen wird es auch zu
Veränderungen der personellen Bedarfe kommen. Um Härten und Hinderungsgründe für
die Kommunen und Landkreise zu mildern bzw. zu vermeiden, sollte deshalb
frühzeitig mit einer Personalentwicklungsplanung begonnen werden. Auch möchten
wir BÜNDNISGRÜNE geregelt wissen, dass für Zusammenschlüsse, bei denen die
zukünftigen Partner keine einheitliche Haushaltsgrundlage als Ausgangsbasis
haben, die Doppik als einheitliches System Anwendung findet. Übergangszeiten
hierfür sind angemessen zu regeln.
Wir BÜNDNISGRÜNE fordern darüber hinaus, dass die Expertise und Erfahrungen
anderer Bundesländer bei unserem Reformprozess berücksichtigt werden. So sollen
die Erfahrungen beispielsweise aus Rheinland-Pfalz mit einfließen, die
erfolgreich mit dem Modell der Verbandsgemeinden arbeiten. Hinsichtlich der
bisherigen Verwaltungsgemeinschaften können wir BÜNDNISGRÜNE uns deren
Weiterentwicklung zu Verbandsgemeinden vorstellen.
Die grundlegende Konzeptionen und Planungen zur Umsetzung der notwendigen
Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform können nur anhand erklär- und
nachvollziehbaren sowie sachlich begründeten Kriterien erfolgen. Diese müssen
mit Bürger*innen, den Kreistagen sowie Verwaltungen in den Gemeinden, den
Landkreisen und kreisfreien Städten, aber auch auf Landesebene im Parlament, der
Landesregierung und den Landesbehörden diskutiert und als „gemeinsames Vorhaben“
umgesetzt werden. Nur mit klaren Kriterien und einer transparenten und
umfassenden Kommunikation kann man auch den Bürger*innen, den öffentlich
Bediensteten und den vielen Ehrenamtlichen in den Kommunalparlamenten in einen
Dialog treten und mit ihnen das Für und Wider von Positionen und/oder
alternativen Varianten ergebnisorientiert diskutieren.
2.BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen fordern eine umfassende Berücksichtigung der
Hinweise, die das Verfassungsgericht in seiner ausführlichen Urteilsbegründung
zum Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform (ThürGVG) erarbeitet hat.
Ausgehend von den Hinweisen des Urteils fordern wir, die neben der Einwohnerzahl
festzuschreibenden Merkmale transparent zu machen und mit den Bürger*innen, den
Kommunalpoliker*innen (Gemeinde- und Städtebund, Landkreistag u.a.) und im
Parlament zu beraten. Zeitlicher Druck darf aus unserer Sicht nicht zu Lasten
der Sorgfalt und der Bürger*innenbeteiligung gehen.
Das Thüringer Verfassungsgericht hat das Vorschaltgesetz nur aus formalen
Gründen für nichtig erklärt. Wir begrüßen, dass das Gericht keine grundlegenden
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes
vorgebracht hat. Das Thüringer Verfassungsgericht machte in seiner Begründung
jedoch deutlich, dass die Einwohnerzahl als alleiniges Merkmal nicht ausreicht,
um eine Entscheidung über die Kreisgrenzen zu treffen. Eine Entscheidung über
Kreisgrenzen kann nur in Abwägung mit weiteren möglichen Kriterien und nur im
Sinne des Gemeinwohls getroffen werden. Abweichungen von den angestrebten
Mindesteinwohnerzahlen sind dann - aber eben nur begründet - möglich.
Diese zusätzlichen Kriterien sind vom Innenminister klar zu benennen und deren
Wirkung für das Gemeinwohl zu begründen. Eine klare Benennung ist - im Übrigen
auch für die Funktions- und Verwaltungsreform - von besonderer Wichtigkeit,
damit die notwendigen Maßnahmen erklär- und nachvollziehbar werden. Der sich
daraus ergebende Gestaltungsspielraum ermöglicht es, die Reformen im Sinne und
mit der Akzeptanz der Bürger*innen auf den Weg zu bringen.
3.Wir BÜNDNISGRÜNE fordern eine stärkere Bürger*innenbeteiligung, die die
Belange und das Informationsbedürfnis der Menschen im Land in einem größeren
Umfang als bisher berücksichtigt.
Wir BÜNDNISRÜNEN haben stets die Bedeutung der Beteiligung und Mitnahme der
Bürger*innen bei solchen weitreichenden und von Emotionen sowie von guten
Argumenten und Gegenargumenten geführten Reformprozessen gesehen und auch
eingefordert. Im Reformprozess bedarf es eines transparenten Vorgehens und einer
offenen Bürger*innen-Kommunikation im Hinblick auf Kreiszuschnitte und damit
auch der Festlegung der Kreissitze.
Bürger*innengutachten verbinden das Alltagswissen der Bürger*innen mit dem
Wissen von externen Expert*innen der Politik und Verwaltung und alle bringen
gemeinsam erarbeitete und transparente Lösungen hervor. Es hat zwar bereits ein
Bürger*innengutachten zur Gebietsreform gegeben, aber die darin enthaltenen
Kernbotschaften wurden von der Landesregierung aus unserer Sicht nicht
ausreichend berücksichtigt. Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns dafür ein, dass weitere
Bürgergutachten in repräsentativen Planungszellen als besonders geeignete Form
der Bürger*innenbeteiligung durchgeführt werden. Dabei legen wir einen Fokus auf
jene Landkreise und kreisfreie Städte, die entweder freiwillig oder auf
Vorschlag der Landesregierung fusionieren wollen oder sollen. Dabei sind auch
Alternativ-Varianten mit in die Abwägung von Vor- und Nachteilen einzubeziehen.
Beteiligung muss für die rot-rot-grüne Koalition im Rahmen der Reformen auch
bedeuten, die Gestaltungsmöglichkeiten in den Kommunalparlamenten zu verbessern.
Die Aufwertung des kommunalpolitischen Ehrenamtes ist für uns GRÜNE ein
besonders wichtiges Ziel.
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